KAISERIN IM GEISTE

KRÄFTIG IN FARBE UND FORM, OFT MELANCHOLISCH IM AUSDRUCK Kreuzlingen, im September 1917: Ernst Ludwig Kirchner betritt das Privatsanatorium Bellevue, in dem er fast zehn Monate bleiben wird. Er ist psychisch und physisch in bedauernswertem Zustand. Und er ist begeistert. Grund dafür sind die Gemälde einer Mitpatientin, die der Anstaltsleiter Ludwig Binswanger heimlich entwendet, um sie dem prominenten Künstler zu zeigen – mit dem Ziel, dessen Kreativkräfte zu reaktivieren. Es scheint zu funktionieren. Seinem Freund und Förderer, dem Architekten Henry van de Velde, schreibt Kirchner: »Ich habe viel Anregung durch […] die Bilder einer Kranken, die mit außerordentlich feinem Gefühl für die Farben ihre Visionen hier malt.« Diese »Kranke«, diese Künstlerin trägt einen Namen: Else Blankenhorn. Zu lange wird sie ungenannt, zu lange ihr Werk ungesehen bleiben. Ein halbes Jahr, nachdem Kirchner…